Wie wir arbeiten
Die Umsetzung des Forschungsvorhabens soll in sieben Arbeitspaketen (AP) erfolgen. Das beantragte Projekt zeichnet sich, wie bei Softwareentwicklung üblich, durch eine agile Vorgehensweise und viele schnelle Iterationsschritte zwischen den einzelnen AP aus. Durch diese agile und iterative Vorgehensweise kommt es zu einer hohen Parallelisierung von einzelnen AP, da im Prozess gewonnene neue Erkenntnisse über die gesamten AP zurückgegeben und anschließend eingearbeitet werden. Die zeitliche Bearbeitung der einzelnen Arbeits- und Teilpakete erfolgt entlang definierter Meilensteine.
Mit Klick auf das jeweilige AP im interaktiven Arbeitsplan erhältst du detaillierte Informationen zu unserem Vorgehen.
Definition und Beschreibung der Use Cases
Lead: IPEM
Co-Lead: LEIPA
Mitarbeit: CTAG, IVV-DD, TOMRA
Es werden zu unterschiedlichen Bereichen des Wertstoffkreislaufs Use Cases für den Einsatz der angestrebten KI-gestützten Lösung erstellt, konkretisiert und priorisiert. Gemeinsam mit allen Partnern werden Zielgrößen definiert, wie beispielsweise qualitative Materialeigenschaften, Performance, Anzahl an Störungen, Vorhersage von Störungen, Optimierung von Ressourceneinsatz (Chemikalien, Energie, Wasser) und Maschinenfahrweise (Erhöhung der Maschinengeschwindigkeit, nähere Fahrweise der Maschine an den Toleranzgrenzen). Dazu sollen an dieser Stelle bereits Einflussfaktoren skizziert werden, welche dann in den AP2 und 3 weiter verfeinert werden. Dabei handelt es sich um Einflussfaktoren aus dem Wertstoffkreislauf, angefangen beim Altpapierlieferant (Daten zum sortierten Altpapier), der Stoffaufbereitung (Daten zu u. a. Chemikalieneinsatz) und
der Papiermaschine (Prozess- und Anlagendaten, Umgebungsparameter). Der Beschreibung von Use Cases, Zielgrößen und Einflussfaktoren folgt eine gemeinsame Priorisierung. Außerdem werden besondere Anforderungen für die angestrebte KI-Lösung identifiziert. Für die Auswahl der Use Cases und die Anforderungen werden spätere Nutzer des Assistenzsystems von Beginn an einbezogen, um den Prototypen am realen Bedarf zu entwickeln, das domänenspezifische Expertenwissen mit einzubeziehen und die Akzeptanz des KI-Systems durch gezielte Einbeziehung der Mitarbeiter zu erhöhen und möglichen Vorbehalten vorzubeugen. Hierbei können vorhandene Kompetenzen aus dem Bereich der Ingenieurpsychologie genutzt werden. Als Ergebnis dieses AP resultiert eine Anforderungsliste (Backlog), welche für das gesamte Projekt als Leitfaden dient.
Qualitative Modellierung des Wertstoffkreislaufs
Lead: CTAG
Mitarbeit: LEIPA, IVV-DD, TOMRA
Es werden qualitative Zusammenhänge des Wertstoffkreislaufs vom Altpapier bis zum Fertigprodukt modelliert. Als Orientierung werden die zuvor definierten Zielgrößen und Einflussfaktoren herangezogen. Somit wird eine Basis für quantitative Analysen geschaffen und eine Modellgrundlage in Form eines Musterkreislaufs erstellt. Der erste Schwerpunkt ist die Beschreibung des Altpapiers, welche als Basis für den zweiten Schwerpunkt, die Modellierung des Gesamtprozesses, dient. Technologisch wird zudem die Grundlage geschaffen, Altpapier bereits bei der Sortierung mit weiteren Daten zu versehen und aufbereitet zur Verfügung zu stellen, um daraus Qualitätsdaten zum Altpapier (wie Störstoffe, Holzhaltigkeit, Strichanteil, Frischfaseranteil etc.) zu bestimmen. Bei Bedarf werden Analysemaschinen unter Verwendung von Nah-Infrarot (NIR), Kameras und KI in der Qualitätsüberwachung der Papierfabrik eingesetzt,
um häufige, systematische Störstoffe (z. B. falsche Druckmotive, Verbunde etc.) zu ermitteln und die Daten zu verarbeiten. Der zweite Schwerpunkt ist die Beschreibung der Prozesse vom Anfall des Altpapiers beim Endnutzer bis hin zum neuen Fertigprodukt auf Recyclingbasis. Im Fokus stehen bisher nicht genutzte Potentiale, Daten und Abhängigkeiten zwischen Prozess- und Materialdaten. Die Prozesse Sammeln und Sortieren von Altpapier, Altpapierwerkslogistik, Stoffaufbereitung und Papierproduktion werden über Zielgrößen und Einflussfaktoren verknüpft. Es werden semi-physikalische Modelle konzipiert, mit Hilfe derer Prozessverhalten simuliert und Materialströme hinsichtlich papiertechnologisch relevanter Werkstoffeigenschaften für das Recycling prognostiziert werden können. Eine Validierung erfolgt durch die Inspektion von Teilmaterialströmen und durch die Nutzung zusätzlicher, intelligenter Messtechnik in Vor-Ort-Kampagnen.
Quantitative Datenanalyse & Feature Engineering
Lead: CTAG
Co-Lead: IVV-DD
Mitarbeit: LEIPA, TOMRA
Durch eine quantitative Datenanalyse wird der Einfluss von zuvor modellierten Parametern auf die Zielgrößen bestätigt oder widerlegt, und neue Zusammenhänge bzgl. der Zielgrößen werden aufgedeckt. Hier wird durch eine Auswahl an Parametern und Feature Engineering eine Basis für die Entwicklung der KI-Lösung geschaffen. Vergangenheitsdaten aus unterschiedlichen Prozessteilen werden übergreifend analysiert. In einer Auflösung von bis zu fünf Sekunden werden Altpapierdaten (wie Holzhaltigkeit), Prozessumgebungsparameter (wie Luftfeuchte), Prozessparameter der Stoffaufbereitung (wie Ascheanteil), Prozessparameter der Papiermaschine (wie Flächengewichtsabweichung der Papierbahn), Eigenschaften des produzierten Papiers (wie Berstfestigkeit) technisch zusammengeführt.
Statistische Methoden zur Auswertung und explorativen Datenanalyse werden ausgewählt. Einflussfaktoren auf zuvor definierte Zielgrößen (AP1) werden festgestellt und offensichtlich nicht relevante Daten ausgeschlossen. Das qualitative Modell wird in einem iterativen Prozess von den Papier-, IT- und Umweltexperten validiert und angepasst. Ausgewählte Daten werden um abgeleitete Merkmale zu Zustandsvektoren aus Rohstoff- und Prozessparametern ergänzt. In einer Datenbank werden die aktuellen und historischen Zustandsvektoren in einem einheitlichen Format zur Verfügung gestellt.
Entwicklung des Prognosesystem-Prototypen
Lead: CTAG
Co-Lead: IVV-DD
Es wird ein Prototyp für das Prognosesystem zum Time Series Forecasting entwickelt. Mittels ML-Algorithmen werden Prognosen für die definierten Zielgrößen getroffen. Auf Grundlage der in AP3 aufbereiteten historischen Daten wird ein ML-Modell ausgewählt, durch Anpassung der Modellparameter optimiert und an den Vergangenheitsdaten angelernt. Dabei wird ein eindeutig definierter Zustandsvektor mit den Zielgrößen verknüpft. Das Modell wird verwendet, um durch entsprechende Prognosen den Ressourcen-, insbesondere Fasereinsatz, zu optimieren, Über- und Unterschreitungen von Toleranzgrenzen
in den Eigenschaften des produzierten Papiers zu vermeiden (z. B. Berst- und Spaltfestigkeit) und die Anzahl an Störungen zu reduzieren. Als Resultat dieses AP entsteht ein prototypisches Prognosesystem, welches anhand realer Echtzeitproduktionsdaten validiert wird. Dieses System wird iterativ anhand der realen Daten getestet, weiterentwickelt und dann in das prototypische Assistenzsystem mit graphischer Benutzeroberfläche (GUI) in AP5 integriert. Zur Vorbeugung von Scheinkorrelation ist die Plausibilitätsprüfung anhand von Prozess-Know-how des gesamten Konsortiums unabdingbar.
Entwicklung des Assistenzsystem-Prototypen
Lead: IVV-DD
Co-Lead: CTAG
In AP5 wird ein Assistenzsystem-Prototyp entwickelt, welcher als Schnittstelle zum Bedienpersonal fungiert. Grundlage sind dabei die extrahierten Merkmale von Produkt und Prozess sowie die vorhergesagten Ereignisse des Prognosemodells, d. h., das Assistenzsystem wird nicht nur bei Störungen wie einem Maschinenstillstand aktiv, sondern meldet Handlungsvorschläge auch bei auftretenden oder prognostizierten Qualitätsabweichungen. Die situativ unterschiedlich ausfallenden Lösungsstrategien werden mithilfe von ML-Algorithmen diesen auftretenden Ereignissen zugeordnet. Die Definition der Ereignisse erfolgt dynamisch sowohl durch das Prognosesystem als auch in digitaler Interaktion durch die Nutzer des Assistenzsystems.
Das (Neu-)Anlernen des ML-Modells erfolgt dabei dynamisch. Bei der Entwicklung wird berücksichtigt, dass zur Reaktion auf Concept Drifts eine effiziente Modellpflege durchführbar sein muss. Weiterhin wird ein Algorithmus entwickelt, der die Handlungen des Bedienpersonals hinsichtlich ihrer nachhaltigen Wirkung auf den Prozess bzw. die Papierqualität bewertet. Durch den Einsatz historischer Daten zu erfolgreichen Bedienereingriffen kann das System schon bei Inbetriebnahme produktiv genutzt werden. Das Assistenzsystem speichert Expertenwissen der Bediener explizit und macht es so für andere Bediener nutzbar. Es wird eine GUI nach dem Ecological Interface Design implementiert.
Anwendung und Validierung
Lead: CTAG
Co-Lead: LEIPA
Mitarbeit: IPEM, IVV-DD, TOMRA
Der positive Effekt auf die Umwelt, welcher sich durch den Einsatz moderner und hochauflösender Sensorik bei der Altpapiererkennung und die innovative Nutzung der zusammengetragenen Daten in Verbindung mit dem selbstlernenden prototypischen Bedienerassistenzsystem ergibt, wird kontinuierlich validiert. Dies wird durch eine quantitative Ermittlung der eingesparten Ressourcen, unter Betrachtung der Einflüsse auf die Ziele sichergestellt. Unter Verwendung des in AP2 aufgestellten Modells ist zur Validierung der prototypischen Lösung ein Bewertungsmodell zu entwickeln, welches die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Teilsystemen berücksichtigt, aber auch deren separate Betrachtung und Bewertung der Teilsysteme bzgl. der Ressourcenschonung zulässt.
Dabei ist insbesondere der Faktor Mensch, der als Bediener über die Interaktion mit dem Assistenzsystem die Auswirkung auf die Ressourceneinsparung erheblich beeinflusst, zu berücksichtigen. Die Nutzung und damit verbundenen Prozessoptimierungen hängen in hohem Maß von der Akzeptanz des Assistenzsystems ab, weswegen zusätzlich die Benutzerfreundlichkeit der Anwendung bewertet wird. Die prototypisch entwickelte Anwendung wird an ausgewählten Anlagen beim Anwendungspartner LEIPA angewendet und validiert. Durch IPEM wird eine produktionswissenschaftliche Betreuung während der Laufzeit durchgeführt.
Projektmanagement, Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit und Verwertung
Lead: IPEM
Co-Lead: CTAG
Mitarbeit: LEIPA, IVV-DD
AP7 beinhaltet das übergeordnete Projektmanagement und die Dokumentation der erzielten Forschungsergebnisse über die gesamte Laufzeit des Forschungsvorhabens. Hierzu wird die angesprochene Agilität bei der Umsetzung aktiv gemanagt und unterstützt. Um die erfolgreiche Umsetzung aller AP und somit der Erreichung des Projektziels sicherzustellen, wird im Sinne eines Integrationsmanagements der Projektplan laufend detailliert und agil weiterentwickelt. Hierzu gehört u. a. die laufende Pflege des in AP1 erstellten Backlogs. Währenddessen werden durch das Inhalts- und Zeitmanagement die Leistungen, die Reihenfolge sowie die Dauer von Einzeltätigkeiten definiert sowie der Projektfortschritt durch den kontinuierlichen Abgleich mit dem Projektplan überwacht und gesteuert (Controlling).
Außerdem wird im Sinne des Qualitätsmanagements die Tätigkeitsumsetzung durch Projektmitarbeiter mit Hinblick auf die Projektziele sichergestellt. All diese Inhalte werden durch Einrichtung und Organisation der Kommunikationsstrukturen zwischen Konsortialpartnern, durch Planung, Vorbereitung und Durchführung von Projekttreffen und Workshops sowie den Austausch mit dem Projektträger realisiert. So werden durch dokumentierte Zwischenergebnisse, regelmäßige Statusseminare (min. 2x pro Jahr) und den Abschlussbericht die Verwertung gewährleistet. Zur Sicherstellung der Erweiterbarkeit und Flexibilität des Forschungsprojektes werden die Ergebnisse durch Verbreitungsworkshops, Verbände, Projektwebseite, Flyer und Publikationen präsentiert und verwertet.

Aktueller Stand
AP1: Definition und Beschreibung der Use-Cases
100%
AP2: Qualitative Modellierung des Werkstoffkreislaufs
65%
AP3: Quantitative Datenanalyse & Feature Engineering
50%
AP4: Entwicklung des Prognosesystem-Prototypen
30%
AP5: Entwicklung des Assistenzsystem-Prototypen
30%
AP6: Anwendung und Validierung
35%
AP7: Projektmanagement, Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit und Verwertung
70%